Der Pandemie Paroli bieten
Mit dem Stillstand kam die Hektik: Als im März die Corona-Beschränkungen begannen, mussten die Betriebe rasch handeln, um arbeitsfähig bleiben zu können. Vieles hat sich seitdem geändert: Ganze Belegschaften arbeiten nun im Homeoffice, Lieferketten und Produktion wurden umgekrempelt.
Solange das Virus in der Welt ist, müssen die Firmen vorsichtig sein. Es gilt, Hygiene- und Abstandsregeln zu wahren und den Betrieb trotzdem so normal wie möglich zu organisieren. Alle wissen: Muss ein Betrieb schließen, öffnet er womöglich gar nicht erst wieder.
Arbeitsplätze sichern
Eine wichtige Grundlage für die Sicherheit ist der neue Arbeitsschutzstandard von Bundesarbeitsminister Hubertus Heil (SPD). Einführen muss sie der Arbeitgeber. Führungskräfte und Mitarbeiter sind dafür verantwortlich, dass die Vorschriften auch befolgt werden. Beim Autozulieferer Automotive Plastic Components Berlin (APCB) hat das bislang geklappt.
Anfang Mai hat das Unternehmen die Produktion nach sechs Wochen Pause wieder hochgefahren. Vorangegangen war eine sorgfältige Instruktion aller Mitarbeiter. Dazu gehörten eine Betriebsvereinbarung, neue Hygienemaßnahmen und eine Informationsoffensive rund um das Virus. APCB stellte Mund-Nasenschutz-Masken und Desinfektionsmittel für alle bereit. Die Schichten wurden verkürzt, damit sich Beschäftigte im Werk nicht begegnen. Außerdem wurden Arbeitsplätze mit Plexiglas geschützt. Vor Arbeitsbeginn desinfizieren die Mitarbeiter erst einmal Werkbänke und Schreibtische.
Zur neuen Normalität gehört, fast immer einen Mund-Nasenschutz zu tragen. Am Werkstor wird kontaktlos die Körpertemperatur gemessen. Wer sich krank fühlt, soll zu Hause bleiben. Je nach Verlauf der Pandemie sollen die Maßnahmen angepasst werden.
Mit Vertrauen ins Homeoffice
Seit dem Corona-Lockdown haben viele Unternehmen auf Homeoffice umgestellt. Das Potenzial dafür ist groß: Einer Stichprobe unter Mitgliedsfirmen im VME Verband Metall- und Elektroindustrie Berlin-Brandenburg zufolge kommen für 44 Prozent aller Beschäftigten mobile Arbeit oder Homeoffice grundsätzlich in Frage. Das Metall-Unternehmen PUK entschied schon Anfang März, so viele Beschäftigte wie möglich ins Homeoffice zu schicken. Zuvor gab es die Option nur in Ausnahmen.
Neben Infektionsschutz und der Sicherung der Arbeitsfähigkeit ging es angesichts geschlossener Kitas und Schulen auch um Kinderbetreuung. Vom Homeoffice ausgenommen blieben nur Produktion und Logistik. Die Bereiche konnten im Lockdown mit der üblichen Mitarbeiteranzahl weiter produzieren. Für die IT-Abteilung war die Umstellung ein Kraftakt. Sie musste in kürzester Zeit dafür sorgen, dass auch Mitarbeiter ohne Firmen-Laptop zuhause sicher auf ihren privaten Rechnern arbeiten konnten.
Nicht nur die Technik muss laufen, auch die Organisation. Bei PUK bedeutet dies für die Führungskräfte vor allem viel Kommunikation. Der Kontakt zur Belegschaft muss über Distanz bewusster gepflegt werden als bei reiner Präsenzarbeit. Die Chefs müssen darauf vertrauen, dass ihre Mitarbeiter auch zuhause gut und strukturiert arbeiten. Sie müssen coachen, wenn Probleme auftauchen.
Die Mitarbeiter ihrerseits müssen Eigenverantwortung zeigen, ihre Chefs auf Probleme ansprechen und sich untereinander abstimmen. Nicht alle sind davon restlos begeistert – etwa, wenn wichtige Dokumente nicht digitalisiert sind oder die Büro-Routine und der kollegiale Austausch fehlen.
„Alle Seiten müssen Flexibilität zeigen“, bringt es Bernd Niemeyer, Leiter Personal bei PUK, auf den Punkt. „Man muss darüber sprechen, dass Arbeitszeiten flexibel angepasst werden, wenn Mitarbeiter wegen Kinderbetreuung nur bedingt oder gar nicht erreichbar sind.“ Die größte Herausforderung, sagt Niemeyer, sei es gewesen, sich auf die neue Situation einzustellen.
Die PUK-Geschäftsführung ist mit der Umstellung zufrieden und lobt die Mitarbeiter für die gute Umsetzung. Mobiles Arbeiten soll fortan häufiger das Mittel der Wahl sein, sofern es Prozesse und Rahmenbedingungen zulassen.
„Win-win für Unternehmen und Mitarbeiter"
Auch bei Siemens ist vieles im Fluss. Neun von zehn Beschäftigten arbeiten weiter im Homeoffice. Ausgenommen ist die Produktion. Stefan Moschko, Leiter Human Resources Siemens Deutschland: „Homeoffice gibt uns mehr Flexibilität und erhöht die Produktivität", ist er überzeugt. „Es schafft neue Freiräume und ermöglicht es, Familie und Beruf besser zu vereinbaren. Das ist eine Win-win-Situation für Unternehmen und Mitarbeiter. Gerade gute junge Leute schauen sich heute sehr genau an, wo es Homeoffice gibt. Unternehmen, die Homeoffice ermöglichen, haben einen Wettbewerbsvorteil.“
Bei Siemens ist das mobile Arbeiten nun ganz offiziell das Kernelement der neuen Normalität. 140.000 Beschäftigte weltweit sollen im Schnitt zwei bis drei Tage pro Woche mobil arbeiten dürfen. Das hat der Vorstand beschlossen. Jeder Mitarbeiter soll demnach dort arbeiten, wo er am produktivsten ist. Das soll die Motivation der Beschäftigten und die Leistungsfähigkeit von Siemens gleichermaßen erhöhen.
Doch Homeoffice ist auch eine Herausforderung. Vorgesetzte müssen eine neue Führungskultur entwickeln, über virtuelle Tools den Kontakt zu ihren Mitarbeitern halten, statt über Dienstreisen und Meetings. Die Mitarbeiter müssen ihre Zeit im Homeoffice einteilen und die Schnittstellen zum Privatleben managen. Und es gibt viele neue Fragen – von der Zeiterfassung über den Unfallschutz bis zur Arbeitssicherheit.
Corona ist für Moschko ein „Brandbeschleuniger in alle Richtungen“, in positive wie negative. Im Konzern hätten alle hervorragend mitgezogen, vom Management Board bis zu den Kolleginnen und Kollegen in der Produktion. Sein Fazit: „Die Pandemie hat Siemens als Organisation zusammengeschweißt: Wir gehen gestärkt aus dieser Krise hervor.“