24.06.16Berlin

Die EU steht vor einer Bewährungsprobe

Jetzt sind sie weg. Viele Investoren haben mit einem anderen Ausgang des Referendums gerechnet. Doch die Bürger haben sich für den Brexit entschieden. Für die Wirtschaft dürfte das nicht einfach werden.

Dem Deutschen Institut für Wirtschaftsforschung (DIW) zufolge hat sich im Vereinigten Königreich das Wirtschaftswachstum zu Jahresbeginn leicht auf 0,4 Prozent abgeschwächt. Die Indikatoren wie der Geschäftsklimaindex und die Managamentbefragungen deuteten auf eine weitere Verlangsamung im zweiten Quartal hin. Diese Entwicklung nach unten wird jetzt durch den Brexit sicherlich an Schwung gewinnen.   

  • Die Reaktion der Finanzmärkte auf Umfragewerte vor der Abstimmung zeigen, dass dieses Abstimmungsergebnis kurzfristig zu starken Verwerfungen auf den Finanzmärkten führen wird – die Reaktionen am Morgen des 24. Juni fielen entsprechend deutlich aus.
  • Das DIW schätzt, dass im kommenden Jahr die Wachstumsrate des deutschen Bruttoinlandsprodukts (BIP) fast einen halben Prozentpunkt niedriger sein wird, als wenn Großbritannien sich für einen Verbleib in der EU entschieden hätte. Allerdings dürfte ein Brexit das Vereinigte Königreich am ehesten treffen. Das IW Köln prognostiziert langfristige britische BIP-Verluste in der Größenordnung von rund zehn Prozent.
  • Nahezu 400.000 Menschen arbeiten im Vereinigten Königreich in Niederlassungen deutscher Unternehmen, die nun vor unsicheren Zeiten stehen. Wahrscheinlich besonders betroffen sind laut BDI der Automobil- und der Energiesektor, die Telekommunikationsbranche, die Hersteller von Elektronik, die Metallproduktion, der Einzelhandel und Finanzdienstleister.
  • Nach Angaben des IW Köln ist das Vereinigte Königreich der drittgrößte Kunde für deutsche Waren. 2015 hat Deutschland Waren im Wert von gut 89 Milliarden Euro an die Briten geliefert, das entspricht einem Anteil von 7,5 Prozent an allen deutschen Warenexporten. Auf der Einfuhrseite Deutschlands kam das Vereinigte Königreich nur auf Platz neun aller Lieferländer. 2015 importierte Deutschland britische Waren im Wert von 38,3 Milliarden Euro, das entspricht einem Anteil von 4 Prozent aller deutschen Wareneinfuhren. Deutschland hatte damit zuletzt einen Überschuss in der Handelsbilanz von über 50 Milliarden Euro.
  • Bei den deutschen Importen aus dem Vereinigten Königreich steht die Gütergruppe „Spirituosen“ mit einem Anteil von 22,8 Prozent an den Warenimporten aus allen Ländern bei diesen Produkten an erster Stelle (in erster Linie Whisky), gefolgt von „Kernbrennstoffen“ mit 18,9 Prozent. Bei beiden Gruppen zusammen summieren sich die Warenimporte aus dem Vereinigten Königreich im Jahr 2015 auf 395 Millionen Euro. Auf Platz 3 folgen „Luft- und Raumfahrzeuge“ mit einem Anteil von 14 Prozent und einem Warenwert von 4,3 Milliarden Euro. 2015 importierte Deutschland „Kraftwagen und Kraftwagenerzeugnisse“ im Wert von 4,6 Milliarden aus dem Vereinigten Königreich. Der britische Anteil an den gesamten Importen dieser Waren betrug 8,3 Prozent und lag damit doppelt so hoch wie der Durchschnitt aller Einfuhren.
  • Der EU-Vertrag sieht nach einer Austrittsankündigung eindeutig eine zweijährige Frist für Verhandlungen mit der EU vor, um die zukünftigen Beziehungen zu klären. Diese Frist kann nur verlängert werden, wenn alle EU-Mitgliedsstaaten zustimmen. Das erscheint jedoch mehr als unwahrscheinlich, sollten die Verhandlungen von britischer Seite mit aller Härte geführt werden. Zweijährige Scheidungsverhandlungen sind vorgrammiert.
     

Was ist zu tun?

  • Die Europäer müssen zukünftig alles daran setzen, eine stärkere Fragmentierung in der EU zu verhindern. Ein Rettungsplan muss her, um die Zukunftsfähigkeit Europas zu sichern.
     
  • Große Herausforderungen bleiben die Bewältigung der Flüchtlingskrise, die hohe Staatsverschuldung, Strukturreformen und natürlich der weitere politische Zusammenhalt.
     
  • Notwendig ist eine neue Balance zwischen europäischer und nationaler Souveränität. Das wird die Gemeinschaft auf eine harte Bewährungsprobe stellen.

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